Grundlagen zu Finanzierung der Psych-PV

Das Material zu Realität Psych-PV stammt vom Oktober 2000. Eigentlich ist die rechtliche Situation so gestaltet, dass es kein Problem geben sollte, die erforderlichen Mittel bei den Pflegesatzverhandlungen zu vereinbaren. Die Ergebnisse sind aber so, wie sie durch die Evaluation der Aktion Psychisch Kranke festgestellt worden sind – in der Realität sitzen die Kostenträger am längeren Hebel und erpressen in den Pflegesatzverhandlungen die Krankenhäuser mit Vermengung von völlig verschiedenen Problemen (wenn du auf die Rechte aus der Psych-PV verzichtest, dann können wir dir das andere bezahlen, oder so ähnlich, wie auch immer…das Ergebnis ist immer gleich, eben 10% weniger für psychisch kranke Menschen). Deshalb ist es interessant, sich auf die Grundlagen zu erinnern, die bereits im Jahr 2000 deutlich formuliert wurden.

H. KUNZE, Aktion Psychisch Kranke

M. BAUER, Arbeitskreis der Chefärzte und ChefärztInnen von Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie an Allgemeinkrankenhäusern in der Bundesrepublik Deutschland

W. ISE, Fachgruppe Psychiatrische Krankenhäuser im Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (Verwaltungsdirektoren)

J. JUNGMANN, Bundesarbeitsgemeinschaft der Ltd. Ärzte Kinder- und Jugendpsychiatrischer Kliniken und Abteilungen

H. LEPPER, Bundesfachvereinigung Leitender Krankenpflegekräfte in der Psychiatrie

M. WOLFERSDORF, Bundesdirektorenkonferenz Psychiatrischer Krankenhäuser

DIE PSYCH-PV IST WIEDER FINANZIERBAR !

In den Jahren seit 1995 (Ende des Übergangszeitraums zur Einführung der Psych-PV, siehe § 10) fand in vielen Kliniken eine schleichende Erosion der Psych-PV statt. Tarif- und Preissteigerungen waren höher als die fixierte jährliche Steigerung der Budgetobergrenze, was zur Unterfinanzierung von Personalstellen führte – wenn Leistungs- und Kostenstrukturen unverändert blieben. Wenn Leistungen und/oder Kosten (un-)geplant ausreichend zurück gingen, konnten Kliniken allerdings in den Deckelungsjahren unter bestimmten Voraussetzungen auch Überschüsse erzielen.

Zur finanziellen Erosion der Psych-PV kam es auch, wenn bei globaler Absenkung des Gesamtbudgets eines Krankenhausbetriebes im Zuge der internen Verteilung des Mangels der Psych-PV-Bereich in eine Residualposition geriet im Verhältnis zu intern stärkeren anderen somatischen Abteilungen oder der Verwaltung und den Service-Betrieben.

Im GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 wurde die Psych-PV gestärkt und wieder finanzierbar gemacht:

  1. In § 6 Abs. 1 Satz 3, 4. Bundespflegesatz-Verordnung (BPflV) wird auf die Vorgaben der Psych-PV zur Zahl der Personalstellen Bezug genommen und fest geschrieben, daß „sicher zu stellen ist, daß das Personal nicht anderweitig eingesetzt wird“.
  2. Die Realisierung der Vorgaben der Psych-PV kann erforderlich machen, die Budgetobergrenze zu überschreiten. Zuvor muß jedoch die immer noch von den Krankenkassen unterstellte Vermutung von nicht ausgeschöpften Wirtschaftlichkeitsreserven widerlegt werden (Krankenhausbetriebsvergleich § 5 BPflV, ggf. Organisations- und Wirtschaftlichkeitsprüfung, intern oder externe Firma). Außerdem sind die in § 6 BPflV nicht abschließend genannten Punkte in bezug auf die medizinische Leistungsstruktur zu berücksichtigen (z.B. Notwendigkeit der Aufnahmen und der Verweildauer, Leistungsverlagerung: statt vollstationär mehr teilstationär und ambulant durch Institutsambulanz oder frühzeitige Überweisung an niedergelassene Ärzte). Die Begrenzung auf das Notwendige ist allerdings nicht einfach herzuleiten von einer auf die Bevölkerung projizierten Bettenmeßziffer (Kunze, spektrum 29. JG, 2/2000 S. 38 – 42).

Nun haben die Krankenkassen sich die Rechtsauffassung zu eigen gemacht, die Realisierung der Ausnahmetatbestände nach § 6 BPflV finde seine Grenze im Grundsatz der Beitragsstabilität gemäß § 71 SGB V. Die Bundesgesundheitsministerin hat allerdings in einem Schreiben an die Deutsche Krankenhausgesellschaft klar gestellt, daß die Sondertatbestände nach § 6 BPflV als „lex spezialis“ Vorrang vor der allgemeinen Regelung nach § 71 SGB V haben. Diese Rechtsauffassung wurde auch vom Bundesministerium für Gesundheit im Bundestag dargelegt (zwei Antworten der parlamentarischen Staatssekretärin Christa Nickels vom 17. Mai 2000. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode, Drucksache 14/3422, S. 28, Nr. 51 und 52).

Krankenhäuser können also (jetzt wieder) die Psych-PV realisieren,
– indem sie entweder unter dem Budgetdeckel Leistungen und/oder Kosten mindestens soweit absenken, daß sie mit der Budgetobergrenze auskommen
oder sie weisen die Erforderlichkeit nach (im Sinne Ziffer 2 oben) und machen damit die Psych-PV zum Ausnahmetatbestand nach § 6 BPflV.


Bundespflegesatz-Verordnung

§ 6 Grundsatz der Beitragsstabilität

(1) Ab dem Jahr 2000 ist nach den Vorgaben des § 3 ein Gesamtbetrag für die Erlöse eines Krankenhauses aus Fallpauschalen, Sonderentgelten und dem Budget nach § 12 sowie auf Grund von Modellvorhaben nach § 26 zu vereinbaren. Bei der Vereinbarung sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. Verkürzungen der Verweildauern,
2. die Ergebnisse von Fehlbelegungsprüfungen,
3. Leistungsverlagerungen, zum Beispiel in die ambulante Versorgung,
4. Leistungen, die im Rahmen von Integrationsverträgen nach § 140 b oder Modellvorhaben nach § 63 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vergütet werden und
5. die Ergebnisse von Krankenhausvergleichen nach § 5.

Der Grundsatz der Beitragsstabilität ist zu beachten; Maßstab für die Beachtung ist die Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Krankenkassen je Mitglied nach § 71 Abs. 3 Satz 1 und 4 in Verbindung mit Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Der Gesamtbetrag darf den um die maßgebliche Rate veränderten Gesamtbetrag des Vorjahres nur überschreiten, soweit die folgenden Tatbestände dies erforderlich machen:

1. in der Pflegesatzvereinbarung zwischen den Vertragsparteien vereinbarte Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur oder der Fallzahlen,
2. zusätzliche Kapazitäten für medizinische Leistungen auf Grund der Krankenhausplanung oder des Investitionsprogramms des Landes,
3. die Finanzierung von Rationalisierungsinvestitionen nach § 18 b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes,
4. die Vorgaben der Psychiatrie-Personalverordnung zur Zahl der Personalstellen, wobei sicherzustellen ist, daß das Personal nicht anderweitig eingesetzt wird, oder
5. in den in Artikel 1 Abs. 1 des Einigungsvertrages genannten Ländern die Auswirkungen einer Angleichung der Höhe der Vergütung …..

S G B V

§ 71 Beitragsstabilität

(1) Die Vertragspartner auf Seiten der Krankenkassen und der Leistungserbringer haben die Vereinbarungen über die Vergütungen nach diesem Buch und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz sowie den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen so zu gestalten, dass Beitragssatzerhöhungen ausgeschlossen werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragssatzerhöhung nicht zu gewährleisten (Grundsatz der Beitragssatzstabilität). Ausgabensteigerungen auf Grund von gesetzlich vorgeschriebenen Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen verletzen nicht den Grundsatz der Beitragssatzstabilität

(2) Um den Vorgaben nach Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1 zu entsprechen, darf die vereinbarte Veränderung der jeweiligen Vergütung die sich bei Anwendung der Veränderungsrate für das gesamte Bundesgebiet nach Absatz 3 ergebende Veränderung der Vergütung nicht überschreiten. Abweichend von Satz 1 ist eine Überschreitung zulässig, wenn die damit verbundenen Mehrausgaben durch vertraglich abgesicherte oder bereits erfolgte Einsparungen in anderen Leistungsbereichen ausgeglichen werden. Übersteigt die Veränderungsrate in dem Gebiet der in Artikel 1 Abs. 1 des Einigungsvertrages genannten Länder die Veränderungsrate für das übrige Bundesgebiet, sind abweichend von Satz 1 jeweils diese Veränderungsraten anzuwenden.

DIE BUNDESMINISTERIN FÜR GESUNDHEIT
Andrea Fischer, MdB
Bonn, den 14. April 2000
Deutsche Krankenhausgesellschaft
Herrn Jörg Robbers
– Hauptgeschäftsführer –
Postfach 30 02 53

40402 Düsseldorf

Sehr geehrter Herr Robbers,

Zu der von der Deutschen Krankenhausgesellschaft vertretenen Rechtsauffassung zum Verhältnis von § 71 SGB V und § 6 BPflV nehme ich wie folgt Stellung:

Der in § 71 SGB V in der Fassung des GKV-Gesundheitsreform-gesetzes 2000 neu geregelte Grundsatz der Beitragsstabilität gilt auch für die zur Behandlung der GKV-Versicherten zugelassenen Krankenhäuser; in § 17 Abs. 1 Satz 4 KHG ist dies ausdrücklich klargestellt werden. Der Gesetzgeber hat allerdings in Abweichung von § 71 Abs. 2 Satz 2 SGB V mehrere Finanzierungs-Sondertatbestände in § 6 BPflV verankert; danach darf der Gesamtbetrag für die Erlöse eines Krankenhauses auch oberhalb der Veränderungsrate vereinbart werden, soweit einer der in § 6 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1-5 BPflV enumerativ aufgeführten Tatbestände dies erforderlich macht. Die „Erforderlichkeit“ zur Überschreitung der Veränderungsrate ist eine eigenständige Finanzierungsvoraussetzung und nur in dem Umfang gegeben, in dem die Finanzierung des Sondertatbestandes nicht bereits innerhalb der Veränderungsrate möglich ist, beispielsweise durch Einsparungen im betreffenden Krankenhaus aufgrund der Verkürzung von Verweildauern und Leistungsverlagerungen in die ambulante Versorgung.

Die krankenhausrechtlichen Sondertatbestände gehen als lex specialis der allgemeinen Regelung in § 71 Abs. 2 Satz 2 SGB V vor, so daß beispielsweise entsprechende Einsparungen in anderen Leistungsbereichen oder bei anderen Krankenhäusern keine Tatbestandsvoraussetzung sind. Auch Artikel 5 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes mit den Änderungen der Bundespflegesatzverordnung hat Gesetzesrang.

Mit freundlichen Grüßen

(Andrea Fischer)

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